Nochmals L-Arginin und mögliche Gefahr für Herzinfarkt-Patienten (2006)
In der Ausgabe Nr. 2/2006 der Alternative Medicine Review ist als Leserbrief eine informative Stellungnahme von Prof. Dr. R. H. Böger zur L-Arginin-Studie von Schulman et al. (1) veröffentlicht.
Zur besseren Zuordnung haben wir die Studienergebnisse, die Prof. Böger referiert, in Standardschrift und seine Anmerkungen dazu kursiv gesetzt.
(Übertragung aus dem Amerikanischen von PreventNetwork)
Brief an die Herausgeber,
betr. den JAMA-Artikel über L-Arginin-Therapie bei akutem Myokard-Infarkt
In der JAMA-Ausgabe vom 4. Januar 2006 berichten Schulman und Kollegen über ihre sechs-monatige Studie an 153 Patienten, die kürzlich einen Myokard-Infarkt hatten. Diesen Perso-nen wurden bis zu 9g L-Arginin oder Plazebo täglich verabreicht. Überprüft wurden dabei die Plasmaspiegel von L-Arginin, die Gefäßelastizität und akute kardiale Ereignisse. Die Studie wurde nach sechs Monaten abgebrochen, weil es in der Verumgruppe sechs Todesfälle gab gegenüber keinem Todesfall in der Plazebogruppe.
Den Forschern gebührt Respekt – sie haben die Supplementierung von L-Arginin in der gleichen Weise auf Wirksamkeit geprüft wie eine Medikamententherapie. Dennoch bedürfen die Ergebnisse der Studie eines Kommentars – einschließlich der Beobachtung, dass sich gegenüber Plazebo keine messbare Verbesserung der Gefäßsteifigkeit zeigte.
Es gab keinen Unterschied in den L-Arginin-Plasmaspiegeln zwischen den beiden Patienten-gruppen, noch zeigte sich in den sechs Monaten eine Dosisabhängigkeit der Plasmaspiegel von L-Arginin. (1) In der Studie wurde L-Arginin in der in Nahrungsergänzungen üblicherweise verwendeten Form verabreicht, für das wir bereits früher eine Halbwertzeit von ca. einer Stunde ermittelt hatten (2).
Die Aussicht, eine konstante Erhöhung des Plasmaspiegels im Morgen-blut festzustellen, war also minimal, da die letzte Arginingabe am Abend zuvor erfolgt war. Dass es zu keiner konstanten Erhöhung der L-Arginin-Plasmaspiegel kam, ist also ein vernünftiger Grund für den festgestellten Mangel an klinischer Effektivität der Supple-mentierung.
Daher könnte L-Arginin mit verzögerter Freisetzung(*) eine besser geeignete Alternative sein, um eine konstante Erhöhung der L-Arginin-Spiegel rund um die Uhr zu erreichen (3).
In Übereinstimmung mit den Daten von Schulman et al. (1) haben wir nach zwei Wochen L-Arginin-Einnahme (5g/d) bei Patienten mit stabilem CAD keine Verbesserung der endothelabhängigen Vasodilatation festgestellt (4). Blum et al. fanden in einer anderen Untersuchung ebenfalls keine Verbesserung der Gefäßfunktion nach einem Monat L-Arginin-Supplementierung (9g/d) bei 30 CAD-Patienten (5).
Alle diese Patienten erhielten die maximale medikamentöse Standardtherapie nach Infarkt, bevor mit der Supplementierung von L-Arginin begonnen wurde. Möglicherweise gab es wenig Spielraum für Verbesserungen in diesem Setting, so dass die Studienergebnisse negativ waren.
Außerdem profitieren Patienten mit geringer NO-Synthaseaktivität eher von einer L-Arginin-Supplementierung. Solche Personen können ermittelt werden durch die Bestimmung des endogenen NO-Synthasehemmers ADMA (asymmetrical dimethylarginine). Wir haben gezeigt, dass Patienten mit erhöhten ADMA-Spiegeln unter Supplementierung mit L-Arginin mit kontinuierlicher Freisetzung eine etwa 75-prozentige Verbesserung der vaskulären Compliance verzeichneten (3). Im Gegensatz dazu haben einige Studien an Patienten, die nicht in Bezug auf die ADMA-Spiegel ausgewählt wurden, keine Verbesserung durch die
L-Arginin-Gaben erbracht.
Darüber hinaus kann man vernünftigerweise aus dem Fehlen erhöhter L-Arginin-Plasmaspiegel bzw. dem Mangel an klinischer Wirksamkeit in dieser Studie gerade nicht davon ausgehen, dass die L-Arginin-Supplementierung mit den Todesfällen in Zusammenhang stehe.
Keine einzige der früheren Studien zur Supplementierung von L-Arginin hat ein erhöhtes Mortalitätsrisiko ergeben.
Deshalb sollte das Design künftiger Studien eine sorgfältige Auswahl der Patientengruppen vorsehen (Anm. d. Redaktion: im Sinne der oben gemachten Zusammenhänge zu ADMA-Plasmaspiegeln). Die Todesfälle aus der Studie der John Hopkins Medical Institutions (1) werden das erschweren, aber da die Zufälligkeit des Ergebnisses nicht ausgeschlossen wurde, sollte dieses Ergebnis weiteren Forschungen auf diesem Gebiet nicht entgegenstehen.
Prof. Dr. Rainer H. Böger
Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie,
Arbeitsbereich Klinische Pharmakologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Referenzen
- Schulman SP; Becker LC; Kass DA; Champion HC; Terrin ML; Forman S; Ernst KV; Kelemen MD; Townsend
SN; Capriotti A; Hare JM; Gerstenblith G: Division of Cardiology, John Hopkins Medical Institutions, Baltimore,
USA: L-arginine therapy in acute myocardial infarction: the Vascular Interaction With Age in Myocardial
Infarction (VINTAGE MI) randomized clinical trial. JAMA 2006 Jan 4;295(1):58-64.
- Bode-Böger SM, Böger RH, Galland A, et al. Pharmacokinetic-pharmacodynamic relationship of the effects of intravenous and oral L-arginine on nitric oxide formation and peripheral haemodynamics in healthy human subjects. Br J Clin Pharmacol 1998;46:489-497.
- Böger GI, Maas R, Schwedhelm E, et al. Improvement of endothelium-dependent vasodilation by simvastatin is potentiated by combination with L-arginine sustained release in patients with elevated ADMA levels [Abstract]. J Am Coll Cardiol 2004,34:525A.
- Doshi SN, McDowell IFW, Goodfellow J, et al. Investigation of the relationship between S-adenosyl-ethionine, S-adenosylhomocysteine, asymmetric dimethylarginine and endothelial function in healthy human subjects. Metabolism 2005;54:351-360.
- Blum A, Hathaway L, Mincemoyer R, et al. Oral L-arginine in patients with coronary artery disease on medical management. Circulation 2000;101:2160-2164.
PreventNetwork-Hinweis:
Ein L-Arginin-Präparat mit verzögerter Freisetzung (Perfusia-SR) gibt
es vom amerikanischen Hersteller Thorne Research auch auf dem
europäischen Markt
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