Vitamin B12-Mangel: mögliche Ursache zahlreicher Erkrankungen(Der Beitrag - hier leicht gekürzt - ist in der ÄrzteWoche Nr. 12 vom 29. März 2000 erschienen. Wir danken für die Erlaubnis zur Wiederverwendung.)
In erster Linie alte Menschen betroffenMangel an Vitamin B12 liegt bei 15 bis 40% der älteren Patienten vor.
Ein möglicher Zusammenhang — über den Umweg des Homozysteins — zwischen zerebro- beziehungsweise kardiovaskulären Erkrankungen und dem Verlust der kognitiven Funktionen steigert derzeit das Interesse am Vitamin B12-Mangel bei alten Menschen.
Besonders bei Patienten, die an einer Veränderung der intellektuellen Funktionen, einer klassischen kombinierten medullären Sklerose, zerebro- oder kardiovaskulären Erkrankungen, trophischen Störungen oder Malnutrition leiden, sollte immer der Vitamin B12-Spiegel geprüft werden, da eine Regression der Erkrankung vom Zeitpunkt der Substitution abhängig ist. Bei jeder Störung, die mit einem Vitamin B12-Mangel in Zusammenhang stehen könnte, sollte daher nach der Vitaminkarenz gesucht werden, selbst wenn eine makrozytäre Anämie nicht vorliegt oder erst später auftritt.
Einige Autoren raten sogar, bei jedem Patienten, der älter als 65 Jahre ist, nach einem Vitamin B12-Mangel zu suchen. Vitamin B12 ist in Nahrungsmitteln wie Ei, Leber, Milchprodukten, Meeresfrüchten enthalten, kann in der Leber gespeichert und bei Bedarf freigesetzt werde.
Aus pathophysiologischer Sicht wird angenommen, dass ein Vitamin B12-Mangel für neuropsychische Veränderungen verantwortlich ist. Diskutiert wird eine Störung des Fettsäuremetabolismus als Folge einer Blockierung des Propionsäurestoffwechsels. Die daraus resultierende Störung der Methioninsynthese, die für die normale Synthese des Myelin unerlässlich ist, führt zu einer Demyelinisierung und irreversiblen Zellmetabolismusanomalien, die schließlich nicht mehr durch alleinige Vitaminzufuhr geheilt werden können.
Zu diesen Störungen gehören die klassische kombinierte medulläre Sklerose und vaskuläre Erkrankungen mit Folgeschäden. Die klassische kombinierte medulläre Sklerose entwickelt sich durch Demyelinisierung der posterioren oder lateralen Bahnen oder eine periphere demyelinisierende Neuropathie mit vorwiegend sensiblem Befall der unteren Extremitäten. über den Umweg von Gefäßläsionen ist das Risiko zerebro- oder kardiovaskulärer Erkrankungen durch die Hyperhomozysteinämie erhöht.
So wurden zerebro- oder kardiovaskuläre Erkrankungen bei Patienten beschrieben, die eine Hyperhomozysteinämie bedingt durch Folat- oder Cobalaminmangel hatten, aber keine anderen Risikofaktoren.
Diagnostiziertwird der Vitaminmangel durch die Feststellung des Serumspiegels von Cobalamin, der einen Rückschluss auf den Cobalaminspiegel im Organismus zulässt. Demnächst wird es möglich sein, die Homozysteinsäure im Serum zu bestimmen, sodass die Homozysteinämie in Routineuntersuchungen diagnostiziert werden kann.
Da bei Patienten, die an einer leichten bis mäßigen Verminderung der intellektuellen Fähigkeiten litten, durch Vitamin B-Gaben eine Verbesserung erreicht werden konnte, scheint eine routinemäßige Suche nach Vitamin B12-Mangel bei diesen Patienten gerechtfertigt. Untersuchungsergebnisse lassen vermuten, dass die an einen Vitamin-B-Mangel gebundenen neuropsychischen Störungen nur am Beginn der Erkrankung heilbar sind.
(Dr. M. B.)Ursachen für Vitamin B12-MangelHypochlorhydrie durch atrophe Gastritis
- totale Gastrektomie, partielle Gastrektomie, Resektion des terminalen Ileums
- intraluminale Vermehrung von Vitamin B12-konsumierenden Bakterien
- partielle Insuffizienz des exokinen Pankreas
- Verringerung der intestinalen Adsorptionskapazität
- Malnutrition
(Redaktion ÄrzteWoche: A-1010 Wien, Wiesingerstr. 1/10, Tel. 513 10 47)Siehe dazu auch
"Neue nutriologische Beiträge Nr. 4"