Stellungnahme zu einer Meta-Analyse bezüglich Vitamin E
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(Miller ER, Pastor-Barriuso R, Dalal D, Riemersma RA, Appel LJ, Guallar
E: Meta-Analysis: High-Dosage Vitamin E Supplementation May Increase
All-Cause Mortality. Ann Intern Med 2004, 141)
Von Dr. med. Udo Böhm*
Es finden sich derzeit wiederholt Berichte über eine Metaanalyse zu
Vitamin E von Dr. Miller, Baltimore (Ann Intern Med. 2004; 141) in
Laien- (z.B. Welt) und Fach-Medien (z.B. Ärztezeitung) mit Aussagen wie
"Vitamin E in hoher Dosierung erhöht die Sterblichkeitsrate" bzw.
"Vitamin E schadet mehr als es nützt."
Es ist für mich äußerst interessant, wie groß die Aufregung über diese
auf einer Lektüre mehrerer Studien beruhende Analyse zum Thema
Mikronährstoffe ist und wie die Ärzteschaft dadurch verunsichert wird,
wobei sich offensichtlich kaum jemand über die tatsächliche Qualität
der Aussagen Gedanken gemacht hat.
Dr. Miller veröffentlichte eine statistische Auswertung von ihm selbst selektierter Studien, deren Auswahlkriterien zumindest sehr diffus erscheinen:
Es handelt sich um eine Sammlung von 9 Studien mit Vitamin E und 10
Studien mit einer Kombination von Vitamin E und anderen Stoffen in
Dosierungen von 16 bis 2000 IU. Die Studien beinhalteten vor allem
Teilnehmer mit hohen Risiken für chronische Krankheiten, meistens KHK.
Die Studiendauer musste mindestens 1 Jahr betragen. Studien mit weniger
als 10 Todesfällen und Studien, bei denen die Mortalitätsrate nicht vom
gemeinsamen Endpunkt getrennt wurde, waren ausgeschlossen.
Ab 400 IU Vitamin E pro Tag kam es in 9 von 11 Studien zu einer
Erhöhung des Mortalitätsrisikos gegenüber Kontrollen. Bei den 8 Studien
mit Dosierungen unter 400 IU war das Risiko insgesamt verringert,
allerdings kam es auch in dieser Gruppe bei Dosierungen von über 150 IU
zu einem leicht erhöhten Mortalitätsrisiko.
Aus meiner Sicht eines – kritisch mit der Medizin allgemein und den
Mikronährstoffen im Besonderen umgehenden – Schulmediziners stellen
sich die Analysenaussagen wie folgt dar:
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Die Studien sind von stark unterschiedlicher Dauer, Teilnehmerzahl und
Teilnehmerzusammensetzung (keine homogenen Patientengruppen) und
verwenden unterschiedliche Studien-Substanzen (Vitamin E allein oder in
Kombination mit anderen Stoffen).
Die Autoren beschreiben, dass evtl. in den Studien mit Beta-Carotin
dieses für das erhöhte Risiko verantwortlich sein könnte. Sie
beschreiben auch, dass die Ergebnisse nicht auf gesunde Personen
übertragbar sind.
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Es ist nicht bekannt, welche anderen Medikamente von den
Studienteilnehmern eingenommen wurden und welche
Krankheitskombinationen vorlagen.
Vielleicht haben Patienten mit höheren Risiken höhere Vitamin
E-Dosierungen erhalten und sind auf Grund ihrer schlechten
Überlebenschancen verstorben – und nicht wegen des Vitamin E?
-
Es bleibt unbeantwortet, ob synthetisches oder natürliches Vitamin E (z.B. mit Gamma-Tocopherol) in den Studien verwendet wurde.
-
Es bleibt ungeklärt, ob bei den gewählten Patientengruppen Vitamin E
allein oder in Kombination überhaupt den richtigen Mikronährstoff bei
dieser Indikation darstellt (z.B. Omega-3-FS in der
GISSI-Präventionsstudie).
Ich möchte nicht versäumen, an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass
es häufig schwierig ist, genaue Aussagen über die Wirkung einzelner
Mikronährstoffe zu treffen. So wurde z.B. in einer ersten Analyse der
finnischen ATBC-Studie ein erhöhtes Lungenkrebsrisiko bei männlichen
Rauchern festgestellt, die Beta-Carotin eingenommen hatten.
Bei einer neuen Auswertung dieser Studie (M.E. Wright et al.; Am J
Epidemiol 2004, 160, 68-76) wurde dagegen entdeckt, dass bei der
kombinierten Einnahme mehrerer Antioxidantien das Lungenrisiko bei den
Studienteilnehmern gesunken war.
Des weiteren gilt mit Sicherheit:
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Vitamine sind im therapeutischen sowie im präventiven Einsatz
erfolgreich, wie mehrere doppelblinde und placebokontrollierte Studien
belegen.
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In der Prävention gelten andere Mengenempfehlungen als in der Therapie:
Von Orthomolekular- und Ernährungsmedizinern werden hier deutliche
niedrigere Dosierungen eingesetzt.
Niedrig dosiertes Vitamin E (z.B. in Lebensmitteln und in
Nahrungsergänzungsmittteln) ist von den negativen Aussagen der Analyse
von Dr. Miller auch gar nicht betroffen. Nach heutigem Wissen gelten
übrigens Gaben von Vitamin E bis 1000 mg pro Tag als unbedenklich (FDA
und Institute of Medicine 1.4.2003).
3. Hohe Dosen von Vitamin E haben eine pharmakologische Wirkung und
sind in der BRD üblicherweise als Arzneimittel zuzulassen. Sie können
falsch – und von unerfahrenen Ärzten – eingesetzt, genauso
Nebenwirkungen erzeugen und zu Todesfällen führen wie alle anderen
schulmedizinischen Präparate mit pharmakologischer Wirkung, die von den
Kassen bezahlt und von Ärzten in gutem Glauben verordnet werden – und
kaum jemand registriert das!
Auch hohe Dosierungen von wirksamen Mikronährstoffen gehören in die
Hand erfahrener Ärzte. Diese wissen, dass eine Hochdosistherapie von
Vitamin E einer strengen Indikation und einer Kontrolle bezüglich evtl.
Nebenwirkungen bedarf. Außerdem entspricht es sicher nicht deren
üblicher Vorgehensweise in der Praxis, Vitamin E über einen längeren
Zeitraum als 1 Jahr therapeutisch in den genannten hohen Dosierungen
bis zu 2000 IU pro Tag einzusetzen.
Bei objektiver Betrachtung finden sich also in der „Meta-Analyse“ von
Dr. Miller etliche Ungereimtheiten und Denkfehler sowie Versuche von
Anpassungen und Umrechnungen, um die unterschiedlichen Studien
vergleichbar zu machen. Diese Studie kann meiner Überzeugung nach
keinen sinnvollen Beitrag zum Nutzen oder Schaden von Vitamin E und
Mikronährstoffen leisten. Sie lässt viele Fragen ungeklärt, und die
Kernaussagen von Dr. Miller sind zumindest zu relativieren.
Vitamin E und andere Mikronährstoffe sind essentiell und liefern – vom
richtigen Therapeuten beim richtigen Menschen in richtiger Dosierung
und Zusammensetzung – verwendet, einen unverzichtbaren Beitrag für
Gesundheit und Überleben unserer Patienten.
Unterwössen, 16.11.2004
*Anschrift des Autors: Kruchenhausen 35, D 83246 Unterwössen
agg-uw(at)t-online.de |
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